Donnerstag, 30. Oktober 2008
Eine Schreibwerkstatt im Internet
Ich bin seit geraumer Zeit in einer Werkstatt am werkeln, wo sich dei Teilnehmer teilweise herrlich anzicken!
Das ist mein erster Beitrag:
Bartholomew Fair
Am Tag vor ihrem 19. Geburtstag hatte Sarah Banne einen guten Grund, den Jahrmarkt Bartholomew Fair, zu besuchen, auch wenn es sich für eine junge Frau nicht geziemte, ja geradezu töricht war, ohne Begleitung dorthin zu gehen. Das hielt Sarah keineswegs davon ab, sich auf den Weg zu ihrer Verabredung zu machen. Tags zuvor ist sie von zwei Jungen, die kaum älter als 14 Jahre gewesen sein konnten, überfallen worden. Doch Sarah hatte bereits früh im Heim, in dem sie und ihr Bruder Peter aufgewachsen waren, gelernt, sich zur Wehr zu setzen. Nachdem sie einem der Jungen so kräftig in die Hand gebissen hatte, dass diese anfing zu bluten, rannte sein Komplize, dem sie zuvor ihr Knie in den Unterleib gerammt hatte, davon. Sekundenlang hatte der Junge Sarah aus dunklen Augen, in denen sich Hass und Angst zu spiegeln schienen, angestarrt. Dann hatte auch er die Flucht ergriffen. Heute, das spürte sie, würde niemand es wagen, sie unflätig anzusprechen.
Sie war es leid, jeden Freitag ihren ehemaligen Heimleiter, Mr. Clarkson, mit Kuchen und Tee bedienen zu müssen. Seit sie vor zwei Jahren die Stelle als Gesellschafterin bei Mrs. Templeton angetreten hatte, hatte es sich Mr. Clarkson, der ihr die Stelle vermittelt hatte, zur Gewohnheit gemacht, die alte Dame zu besuchen. Schließlich hatte Mrs. Stapleton keine Kinder, denen sie ihr Vermögen vermachen konnte, wie ihm sehr wohl bekannt war. Mrs. Stapleton genoss seine Gegenwart sehr, sparte er doch nicht mit Komplimenten und war stets höflich und zuvorkommend. Außerdem brachte er hin und wieder eine kleine Flasche Marillenlikör mit, den Mrs. Stapleton so sehr mochte.
„Dieser Pflaumenkuchen schmeckt ganz ausgezeichnet, Mrs. Stapleton.“ „Greifen sie zu, junger Mann. Sie können es vertragen.“ Sarah beobachtete die Szene von der anderen Seite des Tisches. Sein Anblick, die für einen Mann zu langen und leicht gelblichen Fingernägel und der schlecht sitzende braune Cord-Anzug verursachten in Sarah immer noch einen inneren Flächenbrand. Unweigerlich wurde sie seine Anzüglichkeiten, derer er im Heim nie müde geworden war, lebhaft erinnert.
Den Tod ihres Bruders hatte er damals mit der Kaltschnäuzigkeit eines Henkers erwähnt, als sie ihm wiederholt einen Kuss verweigert und ihn von sich gestoßen hatte. Peter sei vor einem halben Jahr in der Mine aufgrund einer Gasexplosion vermutlich erstickt. Es war ihm wohl entfallen, hatte er grausam hinzugefügt.
Gegen Abend, als sich Mr. Clarkson bereits wortreich verabschiedet hatte, erklärte Sarah Mrs. Stapleton, dass sie noch einige Besorgungen zu machen hatte. Schnell zog sie ihren Mantel an und machte sich auf den Weg zum Bartholomew Fair. Sarah errötete leicht bei dem Gedanken an „Samson aus Patagonien“. Seine Erscheinung hatte ihr schlicht den Atem geraubt. Ein knapp 2 m große Hüne, dessen dunkelbraune Augen eine tiefe Sehnsucht in sich zu bergen schienen und lockiges Haar, das bis auf seine breiten, gebräunten Schultern fiel. Es war ihm nicht verborgen geblieben, dass Sarah ihren Blick nicht hatte von ihm wenden können. Während seiner Vorstellung hatte er ihr fast unmerklich zugezwinkert. Vor allen Leuten! Trotzdem hatte sie seinem Blick standgehalten und war unter den Zuschauern geblieben.
Nach dem Höhepunkt seiner Vorführung, der menschlichen Pyramide, war er zu ihr gekommen. Er hatte seinen Federschmuck abgenommen und ihre Hände in seine gelegt. Sie hatte es zugelassen. „Verzeihen sie, Signora. Mein Name ist Giovanni Belzoni. Es war nicht meine Absicht, sie zu…eh… wie sagt man ...diffamare...eh sie in Verlegenheit zu bringen.“
„Oh das haben sie ganz gewiss nicht“, entgegnete Sarah und widerstand dem Impuls, ihm eine verschwitzte Locke aus der Stirn streichen zu wollen. Dann raffte sie die Schultern und räusperte sich: „Ich war nur so verblüfft,… ich meine… wie ist das möglich, dass sie…es ist doch eine gewaltige Last auf den Schultern ..“
„Reine Physik, Signora. Aber wenn es sie interessiert? Würden sie mir die Ehre erweisen und mich auf einen Spaziergang im Park begleiten? Meine Vorstellung ist für heute zu ende.“
Was immer du tun willst, fang damit an. Dieses Zitat schoss ihr in den Sinn. Entgegen aller Konventionen sagte sie zu. „Ich fühle mich geschmeichelt, doch leider bin ich heute nicht abkömmlich. Meine Herrschaft erwartet mich. Aber morgen wäre es mir ein Vergnügen“.
Ehrliche Freude breitete sich auf seinem Gesicht aus. „Dann erwarte ich sie um 17.00 Uhr bei…“
Der Vorhang des Eingangs wurde jäh zur Seite gerissen. „Gio Batta! Noi aspettare…“
„Darf ich vorstellen: Francesco, mein etwas ungestümer kleiner Bruder“, lächelte Giovanni.
Sarah erkannte ihn sofort. Seine Hand war notdürftig verbunden worden. Francesco konnte sein Entsetzen kaum verbergen. Er würde sie sein Leben lang für das Wissen, das beide teilten, hassen.
Das ist mein erster Beitrag:
Bartholomew Fair
Am Tag vor ihrem 19. Geburtstag hatte Sarah Banne einen guten Grund, den Jahrmarkt Bartholomew Fair, zu besuchen, auch wenn es sich für eine junge Frau nicht geziemte, ja geradezu töricht war, ohne Begleitung dorthin zu gehen. Das hielt Sarah keineswegs davon ab, sich auf den Weg zu ihrer Verabredung zu machen. Tags zuvor ist sie von zwei Jungen, die kaum älter als 14 Jahre gewesen sein konnten, überfallen worden. Doch Sarah hatte bereits früh im Heim, in dem sie und ihr Bruder Peter aufgewachsen waren, gelernt, sich zur Wehr zu setzen. Nachdem sie einem der Jungen so kräftig in die Hand gebissen hatte, dass diese anfing zu bluten, rannte sein Komplize, dem sie zuvor ihr Knie in den Unterleib gerammt hatte, davon. Sekundenlang hatte der Junge Sarah aus dunklen Augen, in denen sich Hass und Angst zu spiegeln schienen, angestarrt. Dann hatte auch er die Flucht ergriffen. Heute, das spürte sie, würde niemand es wagen, sie unflätig anzusprechen.
Sie war es leid, jeden Freitag ihren ehemaligen Heimleiter, Mr. Clarkson, mit Kuchen und Tee bedienen zu müssen. Seit sie vor zwei Jahren die Stelle als Gesellschafterin bei Mrs. Templeton angetreten hatte, hatte es sich Mr. Clarkson, der ihr die Stelle vermittelt hatte, zur Gewohnheit gemacht, die alte Dame zu besuchen. Schließlich hatte Mrs. Stapleton keine Kinder, denen sie ihr Vermögen vermachen konnte, wie ihm sehr wohl bekannt war. Mrs. Stapleton genoss seine Gegenwart sehr, sparte er doch nicht mit Komplimenten und war stets höflich und zuvorkommend. Außerdem brachte er hin und wieder eine kleine Flasche Marillenlikör mit, den Mrs. Stapleton so sehr mochte.
„Dieser Pflaumenkuchen schmeckt ganz ausgezeichnet, Mrs. Stapleton.“ „Greifen sie zu, junger Mann. Sie können es vertragen.“ Sarah beobachtete die Szene von der anderen Seite des Tisches. Sein Anblick, die für einen Mann zu langen und leicht gelblichen Fingernägel und der schlecht sitzende braune Cord-Anzug verursachten in Sarah immer noch einen inneren Flächenbrand. Unweigerlich wurde sie seine Anzüglichkeiten, derer er im Heim nie müde geworden war, lebhaft erinnert.
Den Tod ihres Bruders hatte er damals mit der Kaltschnäuzigkeit eines Henkers erwähnt, als sie ihm wiederholt einen Kuss verweigert und ihn von sich gestoßen hatte. Peter sei vor einem halben Jahr in der Mine aufgrund einer Gasexplosion vermutlich erstickt. Es war ihm wohl entfallen, hatte er grausam hinzugefügt.
Gegen Abend, als sich Mr. Clarkson bereits wortreich verabschiedet hatte, erklärte Sarah Mrs. Stapleton, dass sie noch einige Besorgungen zu machen hatte. Schnell zog sie ihren Mantel an und machte sich auf den Weg zum Bartholomew Fair. Sarah errötete leicht bei dem Gedanken an „Samson aus Patagonien“. Seine Erscheinung hatte ihr schlicht den Atem geraubt. Ein knapp 2 m große Hüne, dessen dunkelbraune Augen eine tiefe Sehnsucht in sich zu bergen schienen und lockiges Haar, das bis auf seine breiten, gebräunten Schultern fiel. Es war ihm nicht verborgen geblieben, dass Sarah ihren Blick nicht hatte von ihm wenden können. Während seiner Vorstellung hatte er ihr fast unmerklich zugezwinkert. Vor allen Leuten! Trotzdem hatte sie seinem Blick standgehalten und war unter den Zuschauern geblieben.
Nach dem Höhepunkt seiner Vorführung, der menschlichen Pyramide, war er zu ihr gekommen. Er hatte seinen Federschmuck abgenommen und ihre Hände in seine gelegt. Sie hatte es zugelassen. „Verzeihen sie, Signora. Mein Name ist Giovanni Belzoni. Es war nicht meine Absicht, sie zu…eh… wie sagt man ...diffamare...eh sie in Verlegenheit zu bringen.“
„Oh das haben sie ganz gewiss nicht“, entgegnete Sarah und widerstand dem Impuls, ihm eine verschwitzte Locke aus der Stirn streichen zu wollen. Dann raffte sie die Schultern und räusperte sich: „Ich war nur so verblüfft,… ich meine… wie ist das möglich, dass sie…es ist doch eine gewaltige Last auf den Schultern ..“
„Reine Physik, Signora. Aber wenn es sie interessiert? Würden sie mir die Ehre erweisen und mich auf einen Spaziergang im Park begleiten? Meine Vorstellung ist für heute zu ende.“
Was immer du tun willst, fang damit an. Dieses Zitat schoss ihr in den Sinn. Entgegen aller Konventionen sagte sie zu. „Ich fühle mich geschmeichelt, doch leider bin ich heute nicht abkömmlich. Meine Herrschaft erwartet mich. Aber morgen wäre es mir ein Vergnügen“.
Ehrliche Freude breitete sich auf seinem Gesicht aus. „Dann erwarte ich sie um 17.00 Uhr bei…“
Der Vorhang des Eingangs wurde jäh zur Seite gerissen. „Gio Batta! Noi aspettare…“
„Darf ich vorstellen: Francesco, mein etwas ungestümer kleiner Bruder“, lächelte Giovanni.
Sarah erkannte ihn sofort. Seine Hand war notdürftig verbunden worden. Francesco konnte sein Entsetzen kaum verbergen. Er würde sie sein Leben lang für das Wissen, das beide teilten, hassen.