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Dienstag, 30. Mai 2006

Der größte Feind

ist und bleibt der Denunziant!

„Hoffentlich ist Opa Didi bald wieder gesund“, schmatzte Karen und biss kräftig in ihr Nutellabrot. „Die olle Tante, die jetzt den Bus fährt, ist immer so streng!“

„Er ist bestimmt bald wieder da. Hast du deinen Ranzen schon gepackt? Kaum zu glauben, was ihr in der vierten Klasse schon alles für den Unterricht braucht. Jetzt beeil dich, du musst los.“

Karen schnappte sich den Ranzen und machte sich auf den Weg.
Wie jeden morgen stand Angela in der Tür und winkte ihrer Tochter hinterher, und jedes Mal quoll ihr Mutterherz vor Glück und Stolz über.
Als Angela vor zehn Jahren, im Alter von 41, nach etlichen Fehlversuchen doch noch schwanger wurde, hatte sie beschlossen, sich nach der Geburt ganz der Kindererziehung zu widmen.

Sie ging zurück in die Küche, brühte sich frischen Tee auf und dachte über den Busfahrer nach. Er fuhr seit vier Jahren jeden Tag die Kinder zur Schule, aber Angela wusste im Grunde nur, dass er Hannes Diehsel hieß, immer pünktlich auf die Minute war und bis letzte Woche noch keinen Tag krank war.

Sie hatte keine Ahnung davon, dass er erst 42 Jahre alt und schon verwitwet, da seine Frau vor zehn Jahren, kurz nach ihrer Hochzeit an Krebs gestorben war. Seitdem lebte er völlig zurückgezogen. Er hatte keine Angehörigen und die einzigen Menschen, mit denen er ein paar Worte wechselte, waren die Schulkinder, deren Eltern und einige Nachbarn aus der Schrebergartenkolonie.

Das einzige, was sich in Angelas Gedächtnis eingebrannt hatte, war das schwarze Halstuch, das er jeden Tag und zu jeder Jahreszeit trug. Sie hatte
keinen Schimmer, dass es seiner Frau gehörte und die Narben verdeckte, die die Schlinge der Wäscheleine hinterlassen hatte, beim Versuch, sich umzubringen.

Angela setzte sich mit ihrer Tasse Tee an den Küchentisch und schlug die Tageszeitung auf. Schon wieder ein verschwommenes Phantombild eines Verbrechers. Erst letzte Woche wurde nach einem Pädophielen gefahndet, erinnerte sich Angela. Sie sah sich das Bild genauer an. Das war doch dasselbe Bild wie letzte Woche! Nur deutlicher! Er trug auch keinen Rollkragenpullover. Nein. Es war ein Halstuch! Angelas Magen krampfte sich zusammen. Sie raste zum Telefon und wählte die angegebene Nummer.

„Kriminalpolizei Braunschweig, Hauptkommissar Hoffmann am Apparat.“

„Ja, ich kenn den Mörder, hören Sie? Er fährt unseren Bus und ist schon seit zwei Wochen krank. Heißt es. Und meine Tochter…“

„Jetzt mal der Reihe nach. Verraten Sie mir erst mal ihren Namen und die Adresse.“

„Ich heiße Angela Mainzen, wohne in Buddenstedt, Drosselweg 7. Der Mann auf dem Phantombild sieht aus wie Hannes Diehsel, der Busfahrer. Der trägt auch immer so ein schwarzes Halstuch und …“ Die eisige Stimme Hoffmanns lies Angela innehalten.

„Frau Mainzen“, versetzte Hoffmann, „ Sie wollen allen Ernstes jemanden verdächtigen wegen eines Halstuchs? Der Name Diehsel ist in diesem Zusammenhang schon mehrfach gefallen. Es gab einige besorgte Eltern und Nachbarn. Ich kann Ihnen aber versichern: Herr Diehsel hat mit diesem Verbrechen nichts zu tun! Im Übrigen war er sehr erschüttert über die Beschuldigungen seiner Mitmenschen. Und das mit Recht! Und jetzt
entschuldigen Sie mich, ich habe zu tun.“ Wütend knallte Hoffmann den Hörer auf die Gabel.

Angela stand regungslos im Flur und fühlte sich plötzlich sehr schlecht.

Zwei Tage später beherrschte folgende Schlagzeile den Lokalteil der Tageszeitung: „Busfahrer in Gartenlaube tot aufgefunden – Selbstmord!“ In dem Artikel war zu lesen, dass Hannes Diesel einen Abschiedsbrief hinterlassen hatte, in welchem er die ungeheuerlichen Anschuldigungen anprangerte, bevor er sich die Pulsadern aufgeschnitten hatte.

Leidenschaft | pommesrot um 10:27h | 1 Kunde | Appetit?


 
okavanga, Donnerstag, 1. Juni 2006, 16:02
Wie schaurig, ich hab richtig Gänsehaut bekommen!

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